top of page

Selbstverantwortung

  • Autorenbild: Patrick Jiranek
    Patrick Jiranek
  • 14. März
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. März

«Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.» (Viktor Frankl)



Unsere Reize sind wie Wellen im Ozean – sie kommen unaufhaltsam, mal sanft, mal stürmisch. Selbstverantwortung bedeutet, diese Wellen nicht einfach zu erleiden oder gegen sie anzukämpfen. Vielmehr sie zu lesen, zu spüren und auf ihnen zu surfen. Wer seine Impulse kennt, kann entscheiden, wann es Zeit ist, mitzugehen, wann es zu warten gilt und wann es besser ist, auszuweichen. Selbstverantwortung ist die Kunst, eigene Impulse bewusst wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen mit ihnen umzugehen. Das heisst, Impulse weder reflexhaft auszuleben noch sie zu unterdrücken.

 

Aus Corona folgte eine wellenreiche technologische und soziale Entwicklung. So schnell vollzogen sich Veränderungen in der Menschheitsgeschichte bisher selten. Und das war, glaubt man verschiedenen Zukunftsforschern, erst der Anfang. Schon heute fühlen sich viele Menschen zwischen wirtschaftlichem Druck, AI-Disruption und politischer Polarisierung fremdbestimmt. Deshalb ist es so wichtig, die eigenen Reaktionen auf unvermeidbare Reize verstehen zu lernen.


Die Dynamik zwischen Reiz und Reaktion


Häufig tendieren wir dazu, den Reiz im Aussen schnell auszuschalten, statt bei unserer Reaktion im Innen anzusetzen; etwa, wenn ich als Vater am Rand vom Spielplatz stehe. Das fremde Kind, das mein Kind von der Schaukel schubst, kann ich wütend anschreien und die passiven «laissez-faire» Eltern gleich mit. Der Triggerpunkt hatte mich und ich habe womöglich Dinge gesagt, die ich später bereue.



Im Leben stehen wir oft vor der Entscheidung: Soll ich im Außen handeln oder meine innere Reaktion regulieren? Ein Beispiel: Nach einer Präsentation gibt der Chef ungerechtfertigt kritisches Feedback. Jetzt gibt es zwei mögliche Reaktionen:

 

Wer schnell handelt, sollte manchmal innehalten. Wenn jemand dazu neigt, sofort gekränkt zu reagieren, könnte eine bessere Strategie sein: Erst durchatmen, das Feedback reflektieren und später besonnen antworten.

 

Wer sich zurückzieht, sollte manchmal aktiv werden. Wenn jemand dazu tendiert, Kritik still hinzunehmen, wäre es hilfreicher, direkt und sachlich klarzustellen, dass ein Missverständnis vorliegt.


Es gibt kein allgemeingültiges Richtig oder Falsch – je nach Situation kann die eine oder die andere Strategie besser sein. Wichtig ist, die eigene Tendenz zu erkennen und Raum zu schaffen, um in der Dynamik bewusst zu entscheiden.


Wer «macht» meine Gefühle?


«Weil Du…, bin ich…» ist ein oft gesagter Satz in Beziehungen, Familien und Organisationen. Viele Menschen tun so, als wäre da ein glasklarer Zusammenhang. So gehen sie durch die Welt in der Annahme, dass andere ihnen schlechte Gefühle machen. Das verwundert nicht. Denn diesen vermeintlichen Zusammenhang lernten viele schon früh, etwa durch elterliche Botschaften: «Weil Du Dein Zimmer nicht aufräumst, machst Du Papa traurig.»

 

Tatsächlich kann kein Mensch dem Anderen Gefühle machen. Habe ich eine gewisse Selbstverantwortung ausgebildet, wird mir klar: ich selbst «mache» diese Gefühle. Es ist die Eigenleistung von mir, mich so zu fühlen, wie ich mich fühle. Diese Eigenleistung spiegelt sich wider in automatischen, unbewussten, schnellen Mustern.

 

Diese Muster kann man verstehen als «Reaktionszwang ohne Entscheidungsspielraum». Sie verkleinern den von Viktor Frankl im Eingangszitat genannten Raum zwischen Reiz und Reaktion. Deshalb ist es so wichtig, an diesen Mustern zu arbeiten. Und hier liegt auch Fluch und Segen zugleich: Nur ich bin hierfür verantwortlich und nur ich kann den Reaktionszwang reduzieren. Dabei wird ausserdem klar: Je weniger Selbstverantwortung ich im Innen pflege, desto mehr Konflikte habe ich im Aussen.


Selbstverantwortung aufbauen, Muster durchbrechen


Im Coaching ist u.a. die Auseinandersetzung mit zwei Anteilen hilfreich, um Selbstverantwortung aufzubauen. Wirkungsvolle Ansätze, wie die #MetatheoriederVeränderung und #hypnosystemisches Coaching fokussieren u.a.  auf die Arbeit mit:

 

  1. Anteil «Opfer-Ich»

  2. Anteil «Täter-Ich»

 

Es gilt, beide Anteile in der Coaching-Arbeit zu berücksichtigen. Das vorherige Beispiel verdeutlicht das. Ich bin betroffen vom Feedback meines Chefs und habe dazu eine entsprechende «Täter-Stimme» in mir. Dieser Täter redet mich aggressiv selbst klein, etwa so: «Wie kannst Du so blöd sein, eine derart flache Präsentation zu halten?» Mit dieser Stimme sollte ich in Kontakt kommen, wenn ich mein Muster durchbrechen und meine Selbstverantwortung stärken will. Dafür braucht es standhafte Begleitung und ein breites Repertoire an Methoden, wie die Arbeit mit Repräsentanzen, Bezugsrahmen und Selbstwahrnehmung.



Neben dem Umgang mit Personen und Situationen ist Selbstverantwortung auch bei wichtigen Lebensentscheidungen zentral. Geht es etwa um «bleiben oder gehen», also bspw. kündigen, den Weg in die Selbstständigkeit einschlagen: ja oder nein? In vielen Coaching- und Beratungsansätzen wird hier eine pro/contra-Liste der jeweiligen Vorzüge erstellt. Das kann ein sinnvoller Startpunkt sein, bleibt aber letztlich oberflächlich.

 

Geht es um wichtige Entscheidungen, ist eine Auseinandersetzung mit zugrundeliegenden Ängsten essenziell: hier kann es bspw. darum gehen, die Angst vor dem Risiko und die Angst vor der Erstarrung gemeinsam und emotionsbezogen zu erkunden. So kann eine nachhaltige, bewusste Entscheidung zustande kommen.


Der Weg zur inneren Freiheit


Wir brauchen so etwas wie eine «Impulsintelligenz», um flüssig auf den Wellen der Impulse reiten zu lernen. Um diese Impulsintelligenz auszubilden, ist ein kontakt- und vertrauensvoller Dialog mit einem/r Coach unabdingbar. Im geteilten Dialograum gilt es, das, was bisher nicht sein durfte, zu bergen. Wenn es gemeinsam, mit einer klaren Haltung in diese Tiefe geht, wird deutlich: Der Weg zur inneren Freiheit geht über die unangenehmen Gefühle.

 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page